Montag, 25. Juni 2007

La Paz, Chulumani & Weihnachten

So, nach zwei Wochen wird es mal wieder Zeit für nen neuen Bericht aus Bolivien.
Nach wie vor geht es mir sehr gut, auch wenn das Wetter hier mittlerweile etwas umgeschlagen hat. Tagsüber ist nach wie vor sonnig, die Temperaturen sind jedoch um einige Grad gefallen. So hat es nachts circa 5 Grad. Die Bolivianer bibbern und beklagen sich über die Kälte, wer jedoch den deutschen Winter kennt, hält es hier mit ner warmen Jacke sehr gut aus. Und kälter soll es auch nicht mehr werden...
Das vorletzte Wochenende habe ich nach meiner grösseren Potosí- und Sucre-Reise zur Abwechslung mal in La Paz verbracht um etwas auszuspannen. So verbrachte ich den Samstag in der Stadt in zwei Museen (Coca- und Instrumente-Museum), speiste in einer traditionellen Garküche (hab echt nen Saumagen - ich vertrag alles!) und bummelte durch die riessigen Märkte von La Paz (hier gibt es wirklich ALLES!). Den Sonntag verbrachte ich beim Klettern. Ein bolivianischer Freund hat mich an eine Kletterwand mitgenommen und natürlich wollte ich versuchen, wie weit ich es nach oben schaffe. Leider musste ich feststellen, dass ich in dieser Sportart kein Naturtalent bin, denn meine Kräfte brachten mich nicht weit...

Dieses Wochenende war dann zur Abwechslung wieder eine kleine Reise angesagt: Nach Chulumani, ein kleines Dorf in den Yungas (Subtropen). Dieses Mal ging es nicht mit dem Mountainbike nach unten, sondern mit dem Bus. Die Frage ist nur: Was ist angenehmer und vor allem auch sicherer??? Die Strassen sind nicht geteert, zudem nur so breit wie ein Feldweg und auf der einen Seite ist nur Fels und auf der anderen Seite geht es einige Hundert Meter steil bergab.... Leitplanken nicht vorhanden. Auch der Busfahrer hat die schwierige Fahrsituation erkannt und begann die Reise mit einem Ritual: Die Strasse und der Schaltknebel wurden mit 100% Alkohol beträufelt (damit soll die Pachamama besänftigt werden), er selber bekreuzigte sich und trank auch noch nen Schluck aus der Flasche. Das zeigte mir zumindest, dass auch er lebend unten ankommen wollte - beruhigend!
Nach circa 2/3 der Strecke plötzlich ein Stau - sehr merkwürdig auf einem Weg mitten in der Pampa mit wenig Verkehr und keinen Kreuzungen. Was ist passiert: Natürlich ein Bus-Unfall einige Fahrzuge vor uns. Glücklicherweisse ist dieser nur umgekippt (wie auch immer dies passiert sein mag) und ist nicht die Hunderte von Metern den Hang hinuntergekugelt. Somit gab es auch keine Verletzte, der Weg war jedoch blockiert. Die Bolivianer handelten erstaunlicherweisse recht schnell, schafften grosse Steine von allen Seiten heran, füllten mit diesen den Strassengraben aus, so dass die anderen Fahrzeuge zwischen dem umgekippten Bus und der Felswand passieren konnten.
Nach insgesamt fast 5 Stunden Fahrt kamen wir dann in einem kleinen Paradies an: Wir haben uns in einem Hostal eingemietet, welches ausserhalb des Ortes am Rande eines Naturparkes liegt. Neben der Kuweide unter Orangenbäumen befindet sich eine wunderschöne alte Hacienda, als Hostal umgebaut, mit Swimming Pool, an welchem wir den restlichen Samstag bei angenehmen Temperaturen verbrachten und chillten. Am Sonntag morgen gings dann in den Naturpark - ein sogenannter Nebelwald. Früher war die gesamte Region mit dieser Art von Wald bedeckt, durch die Plantagenwirtschaft (v.a. Coca) wurde dieser jedoch abgeholzt. Unser Führer führte uns durch das dichte Unterholz und erzählte uns viel über die Pflanzen und ihre heilende Wirkungen. Eine Aufregung stellte eine kleine Schlange auf dem Weg dar, in welche unser Guide fast reingetreten ist. Zum Glück hat er sie noch rechtzeitig entdeckt und konnte mit einem grossen Satz die Konfrontation vermeiden. Wie er meinte, war die Schlange nämlich sehr giftig, weshalb sie auch "5 Schritte" genannt wird. D.h.: geht man nach einem Biss 5 Schritte, ist man tot. Leider wollte die Schlange auch nicht von dem Weg runter, weshalb wir einige Minuten ausharren mussten, bis sie sich verzogen hat. Gleichzeitig haben wir natürlich gebibbert, dass sie in unsere Richtung kommt.
Am Nachmittag ging es wieder 4 Stunden zurück nach La Paz, wo uns ein kleines Event erwartete: Meine 2 verrückten Mitewohner Johanna und Bene feiern in Düsseldorf immer am 24. Juni Weihnachten, da sie das Fest im Dezember nervig und wenig besinnlich finden, da es so kommerziell ist. Deswegen überlegten sie und ihre Freunde sich, dieses Fest einfach ein halbes Jahr später zu feiern, was sie wohl schon seit einigen Jahren so praktizieren. Natürlich konnten sie auch in La Paz nicht auf ihren Brauch verzichten. So gab es Glühwein, Christstollen, Plätzchen, Mandarinen, Erdnüsse,... Wir sangen Weihnachtslieder, wichtelten und Bene lass die Weihnachtsgeschichte auf Spanisch vor. Sehr spassig...

Dienstag, 12. Juni 2007

Potosí & Sucre

Das vergangene Wochenende verbrachte ich in Potosí und Sucre. Da am Donnerstag Feiertag war, konnte ich mir am Freitag frei nehmen und die 4 Tage zum Reisen nutzen.
Mein erster Stopp war Potosí - die höchst gelegenste Grossstadt der Welt auf über 4000m Höhe. Ihre Existenz hat sie den Spaniern zu verdanken, die dort gross Silbervorkommen entdeckten, im sog. "Cerro Rico". Auch heute lebt die Stadt noch von ihren Minen und der Berg wird häufig mit einem schweizer Käse verglichen, da er mittlerweile komplett durchlöchert ist. Vor ein paar Hundert Jahren, war die Stadt sehr reich, was man noch an den vielen Kolonialgebäuden erkennen kann, die mittlerweile allerdings nicht mehr in allzu gutem Zustand sind.
Natürlich wollte ich mir auch eine Mine anschauen, was ein krasses Erlebnis war: In den Stollen, die ich besichtigt hatte, wird immer noch gearbeitet und die Arbeitsbedingungen machten mich wirklich traurig. Teilweise sind die Gänge so niedrig, dass man nicht aufrecht gehen kann, bzw. krabbeln muss. Hinzu kommt, dass die Luft sehr dünn und feucht ist, so dass einem das Atmen schwer fällt. Die meisten Minenarbeiter leben deswegen auch nicht länger als 50 Jahre. Auch arbeiten in den Minen sehr viele Kinder. Ich konnte es in der Mine nicht länger als 45 Minuten aushalten, da ich kaum Luft bekommen habe und ich mich in den engen Gängen auch nicht wirklich wohl fühlte. Zum Glück hatten wir 2 Guides, so dass der eine mich und noch ein anderes Mädel nach draussen begleiten konnte.
Angeblich kann man, nach einer amerikanischen Studie, in 8 Jahren in dem Berg auch nicht mehr arbeiten, da er dann zusammen stürzt. Dann wird Potosí eine verlassene Stadt sein, denn die "Minería" ist das hauptsächliche Einkommen der Bewohner.
In Potosí befindet sich auch das soziale Projekt der Katholischen Studentengemeinde in Tübingen, die auf dem Weihnachtsmarkt immer so schöne Strickwaren verkaufen. Letzten Winter habe ich beim Verkauf geholfen und dabei das Projekt kennengelernt. Ein weiterer Grund für mich nach Potosí zu fahren! So konnte ich die 2 Tage bei den Nonnen wohnen, die das Projekt betreuen. Die Frauen nahmen mich so herzlich auf, erzählten mir sehr viel über das Leben in Bolivien und gaben mir Einblicke in die Kultur und die Probleme des Landes. Auch führten sie mich durch ihr Viertel, welches super arm ist. Viele Häuser haben kein fliessend Wasser und es gibt keine Müllabfuhr. Die Menschen leben also mitten im Dreck. Ich wusste zwar, dass es sowas gibt, es mit eigenen Augen zu sehen war dann aber doch nochmal eine andere Sache. Alleine hätte ich gar nicht in dieses Viertel gehen können, da es zu gefährlich gewesen wäre.
Die "hermanas" engagieren sich sehr sozial in diesem Viertel. Jeden Tag gibt es ein Mittagessen für 40 Kinder, die aus den ärmsten Familien ausgewählt werden. Daneben gibt es in dem Gelände des Conventes einen kostengünstigen medizinischen Service, eine öffentliche Dusche, eine Bibliothek und einen Spielplatz. Ein weiterer Punkt ist die Nähstube, in welcher Frauen aus der Nachbarschaft die Sachen stricken, die dann in Tübingen für das Vielfache der Produktionskosten auf dem Weihnachtsmarkt verkauft werden. Die Erlöse fliessen komplett nach Potosí zurück.
An den Wochenenden gehen die Nonnen Nachmittags in das Viertel und trommeln Kinder zum Spielen zusammen. Die zwei Tage, in denen ich das alles miterleben durfte, waren auf jeden Fall sehr interessant!

Am Samstag Vormittag ging es mit dem Taxi Express weiter nach Sucre - die Hauptstadt Boliviens. Die Reise dauerte jedoch länger als erwartet, da in Sucre ein Autorennen stattfand, welches auch das Umland umfasste. So war die Zufahrtsstrasse in die Stadt gesperrt und wir mussten 1 1/2 Stunden in der Pampa in voller Sonne warten, bis wir durchgelassen wurden. Es gab natürlich keine Umleitung.
Sucre ist eine sehr schöne Stadt, mit vielen Kolonialhäuser in top Zustand. Da sich die Stadt "nur" auf 2800 m Höhe befindet, diente sie wegen ihres angenehmen Klimas früher als Wohnsitz der Frauen der in Potosi arbeitenden Spanier. Rein optisch könnte das Zentrum auch in Spanien sein. Da das Autorennen das komplette Wochenende stattfand, war die Stadt voll mit Leuten und manche Strassenzüge waren gesperrt. Deswegen konnte ich leider nicht alles sehen, was ich geplant hatte. Trotzdem bekam ich einen schönen Eindruck von der Stadt. Auch war schön, dass ich im Hostel einige nette Leute kennen gelernt habe, so dass ich nicht nur alleine unterwegs sein musste.
Am Sonntag Nachmittag ging es mit dem Flieger dann wieder zurück nach La Paz. Auch das war eine Erfahrung: Beim Check-In wollte keiner meinen Pass sehen und beim Pre-Boarding gab es keinerlei Sicherheitskontrolle. Ich hätte ohne Probleme eine Bombe mit ins Flugzeug nehmen können. Es kam mir wirklich so vor, als ob ich Bus fahren würde.

In der Kammer arbeite ich momentan an einem Exportführer mit dem gesamten Reglament, welches eine bolivianische Firma durchlaufen muss - eigentlich ganz interessant. Manchmal ist es nur verwirrend, dass auf den Seiten verschiedener Institutionen unterschiedliche Informationen zu finden sind. Viele Internetseiten wurden seit Monaten nicht aktualisiert, so dass komplett veraltete Regelungen aufgelistet sind. Das erschwert meine Arbeit natürlich ein klein wenig ...

Montag, 4. Juni 2007

Fiesta del Gran Poder



Am Samstag war DAS Fest in La Paz angesagt: Die "Fiesta del Gran Poder". Das konnten ich mir natürlich nicht entgehen lassen!
Dieses traditionelle Fest besteht aus einem Umzug, der morgens um 9 Uhr beginnt und den ganzen Tag bis in die Nacht hinein durch die Strassen von La Paz geht. Insgesamt nehmen 53 Gruppen aus Bolivien teil, die in bunten Kostümen - teils traditionelle Inka-Bekleidung, teils Karnevall-ähnliche Verkleidungen - durch die Strassen tanzen. Die Tänze haben historische Bedeutungen, so dass beispielsweise Ratschen die Ketten der Sklaven darstellen sollen.
Ursprünglich wurden die Tänze vor einem Jesu-Bild, das Bild des Gran Poder, aufgeführt. Deswegen trägt das Fest diesen Namen. Gran Poder kann mit "grosser Macht" übersetzt werden.
Wir haben uns Tribünenplätze reservieren lassen und schauten uns von 9.30 - 15 Uhr das bunte Treiben an. Und dabei sahen wir nur circa 25 Gruppen... Irgendwann wiederholen sich jedoch die Tänze und nach fast sechs Stunden reichte es auch. Was beachtlich ist, dass die Bolivianer an solchen Festivitäten Unmengen an Alkohol konsumieren. Kein Vergleich zum deutschen Karneval (oder Fasnet), wo es ja auch schon heftig zugeht. Auch deswegen war ich ganz froh, noch bei Tage nach Hause zu kommen...
Diese Woche ist eine ruhigere Arbeitswoche angesagt. Da am Donnerstag Fronleichnam ist, hab ich mir den Freitag frei genommen und werde das verlängerte Wochenende mal wieder für eine Reise nutzen. Mittwoch Nacht fahre ich nach Potosí, wo ich das Soziale Projekt der Katholischen Hochschulgemeinde in Tübingen besuchen werde (von denen die schönen Wollsachen auf dem Tübinger Weihnachtsmarkt verkauft werden) und am Samstag gehts dann noch nach Sucre - die Hauptstadt Boliviens. Zum ersten Mal werde ich in Bolivien alleine unterwegs sein, deswegen wird es doppelt spannend!